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Die Zukunft ist digilog
Die Digitalisierung wird uns 2022 weiter begleiten. Wenn es um die Trends für 2022 geht, darf das Schlagwort Digitalisierung nicht fehlen.
Und wenn diese Ankündigung unterschiedliche Reaktionen hervorruft – von „…das ist reichlich bekannt, ein alter Hut“ bis „…mit der digitalen Welt kann ich gar nichts anfangen.“ –, dann sind wir bereits mitten im Thema. Trends rufen immer Gegentrends hervor, die wiederum Einfluss nehmen auf ebendiese Trends. Dieses Phänomen, oder besser: diese Endlosschleife aus gegensätzlichen Kräften, welche sich auch noch gegenseitig beeinflussen und bedingen, ist alltäglicher Untersuchungsgegenstand in der Trendforschung. Für die Zukunftsprognosen sind sie spannender und einflussreicher, als man meinen mag.
Der Trend – ein Dialog in die Zukunft
Die Entwicklung von Trends kann man sich wie ein Zwiegespräch vorstellen. Ein Dialog, an dem zwei Meinungsgeber teilnehmen: der ursprüngliche Trend und der sich entwickelnde Gegentrend. Gut zu beobachten ist dies am Trend der Digitalisierung am Arbeitsplatz. Durch zunehmenden technologischen Wandel ändert sich unsere Art zu arbeiten und neue Berufsbilder entstehen, während andere verschwinden.
Die Coronamaßnahmen haben verdeutlicht, wie es um die Digitalisierung in der Arbeitswelt steht, wo kleine Schwachstellen vorliegen oder Nachholbedarf besteht. Gleichzeitig haben wir digitale Lösungen im privaten und beruflichen Bereich schätzen gelernt, die in diesen schwierigen Zeiten eine Bereicherung und Hilfe sind. Darüber hinaus erreichen uns Meldungen, wonach Facebook, Google und Co. am Metaversum arbeiten, in welchem wir künftig als Avatare und mit künstlich erzeugter Persönlichkeit im virtuellen Raum agieren, sei es in der Businesskonferenz oder zum Abfeiern in Clubs angesagter Onlinewelten. All diese Aspekte zeigen, dass aus dem Dialog eine umfassende Debatte entstanden ist, die ihrerseits die Trendentwicklung weiterbewegt.
Starke Trends erzeugen starke Gegentrends
Je weiter die Digitalisierung fortschreitet, umso mehr Rufe nach „normalen“, persönlichen Begegnungen werden laut. Zuviel Bildschirmzeit beherrscht unsere Kinder. Unternehmer verlieren den persönlichen Kontakt zu ihren Mitarbeitern. Kunden sind nur noch Mailadressen, ein persönlicher Austausch fehlt. Menschen fühlen sich von der digitalen Welt vereinnahmt, prangern ein Übermaß an Bildschirmnutzung an, erleben Homeoffice als Überforderung, usw. Dies sind Zeichen eines Gegentrends – und ein wichtiges Thema, das uns in den kommenden Jahren beschäftigen wird.
Der Trendverlauf: Rekursionsschleifen
Ausgehend davon, dass ein Thema auch von gegenläufigen Trends nach vorne geschoben wird, wird es notwendig, genauer hinzuschauen. Beschäftigt man sich wissenschaftlich mit Trends und Zukunft, muss man sich von simplen linearen Zukunftsprojektionen verabschieden – und sich komplexeren Methoden zuwenden.
Das Modell der Rekursionsschleifen veranschaulicht, wie jeder Trend einen Gegentrend erzeugt und dadurch Widerstände. So ändern sich Trends – und werden gleichzeitig auf eine höhere Entwicklungsstufe gehoben, mit neuen Themenbereichen.
Konkret kann man dies aus der Ableitung „Digiloge Zukunft für das Handwerk“ der gemeinsamen Studie von rcm-solutions und Zukunftsinstitut entnehmen. Durch Automatisierung und Digitalisierung und mit deren Einzug in die persönliche Erlebniswelt entstehen neue Kundenbedürfnisse und neue Themen, die im ursprünglichen Trend nicht definiert waren.
Eingeleitet durch die Beschäftigung mit dem erkennbaren Trendgeschehen kommt es zu weiteren (neuen) Reaktionen. Aus einer subjektiv wahrgenommenen Überforderung durch die digitale Welt entsteht zum Beispiel die verstärkte Sehnsucht nach natürlichen Materialien, mehr Interesse an Herkunft und Herstellungsverfahren und ein Bedürfnis nach mehr persönlichen-sozialer Interaktionen.
Interessant ist: Um diesen neuen Bedürfnissen gerecht zu werden, werden Aspekte aus beiden Welten genutzt und ausgebaut. Aus analogen Bedürfnissen und digitalen Möglichkeiten wird digiloge Vernetzung.
Beispielhaft für das Handwerk wären hierfür Plattformen und Onlineangebote, wo ergänzend zur analogen Arbeitsleistung digital Termine gebucht werden, Fachleute sich vernetzen, Daten schnell und sicher ausgetauscht werden können, Interessierte virtuelle Seminare besuchen, Kundenbindung über weitreichende Information, Videosequenzen und Chat-Austausch gepflegt werden kann. Kurzum, Trend und Gegentrend grenzen sich nicht aus, sondern entwickeln sich in gegenseitiger Bedingung weiter.
Trend 2022: Digiloge Vernetzung in der Arbeitswelt
Auch in Zukunft werden wir uns nicht durch Internet, App-Anwendungen und Online-Datentransfer selbst weg-digitalisieren. Wir müssen anerkennen, dass die intelligente Vernetzung digitaler Arbeit und smarter Systeme entlang unserer analogen „menschlichen Lebenswelt“ stetig fortschreitet. Es geht um die intelligente Vernetzung der analogen mit der digitalen Welt; um die fachlich und technisch ausgereifte Verbindung von Unternehmen zu ihren Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern.
Seit jeher ist die Arbeitswelt im Wandel. Was sich nicht ändert, sind die Bedürfnisse und tradierten Werte der Menschen. Auch dies macht die Trendforschung deutlich. So werden Unternehmen und Mitarbeiter nicht hundertprozentig auf Homeoffice setzen, aber die neuen Möglichkeiten in den Arbeitsalltag integrieren. Denn man hat wertvolle Erfahrungen sammeln können, zum Beispiel dass Homeoffice und Präsenz, Reise und virtuelle Konferenzen sich gut kombinieren lassen. Wer im Unternehmen Kundenkontakt hat, weiß aus Erfahrung: Business is people. Dienstreisen und persönliche Meetings werden künftig abnehmen, allerdings umso mehr geschätzt und effizienter genutzt, wenn sie stattfinden.
Intelligent gestaltete Mischformen aus digitalen Tools und dem Aufgreifen gesellschaftlicher Werteerwartungen werden Arbeitsabläufe neu gestalten und neue Formen von Mitarbeiter- und Partnerkooperation hervorrufen.
2022 werden sich erste Ergebnisse dieser neuen Stufe von Digitalisierung zeigen. Vernetzte Abläufe werden unter dem Motto easy digital auf dem Prüfstand stehen. Innovationen haben sich dann durchgesetzt, wenn ein Mehrwert gegeben ist. Effizienzsteigerung und Erleichterungen für Mitarbeiter und Kunden werden dafür Maßstab sein, aber auch die mentale Zufriedenheit der Anwender und Anbieter.
Wir sehen, in der Trendprognose sind viele Faktoren zu berücksichtigen, die den eingeschlagenen Kurs bestärken, mindern und verändern können. Fortschritt bildet sich nicht linear, sondern über sich gegenseitig beeinflussende Entwicklungen, die genau zu analysieren sind.
Die digiloge Arbeitswelt ist bereits Realität und wird weiter ausgebaut. Die positiven Synergien daraus werden wir für unsere Wirtschaft wie auch für unser gesellschaftliches Leben zu nutzen wissen. Dies ist ein weiteres starkes Trendthema für 2022.

Der Autor
Mathias Brugger
Trendmanager
rcm-solutions
Trend-Management für Branchen, Märkte und Privatwirtschaft.